Mittwoch, 1. Mai 2024

Susan Neiman: Ein Plädoyer für den Universalismus

Susan Neiman, eine US-amerikanische Philosophin und Direktorin des Einstein Forums in Potsdam, hat in ihrem jüngsten Werk "Links ist nicht woke" eine dezidierte Kritik an aktuellen Strömungen innerhalb der politischen Linken formuliert. Neiman, die sich als traditionelle Linke sieht, plädiert leidenschaftlich für den Universalismus, den sie als fundamentales Prinzip einer gerechten und fortschrittlichen Gesellschaft betrachtet. Ihre Kritik richtet sich gegen das, was sie als "wokeness" beschreibt – eine Haltung, die ihrer Meinung nach die universalistischen Grundlagen der Linken verdrängt hat.

Neiman argumentiert, dass die sogenannte "woke" Bewegung durch eine übermäßige Fokussierung auf Identitätspolitik und Partikularismus den Blick für umfassendere soziale und politische Ziele verloren hat. In ihrem Buch und zahlreichen Vorträgen hebt sie hervor, dass eine Reduktion des politischen Diskurses auf Rasse, Geschlecht oder andere Aspekte der Identität dazu führen kann, dass die tieferen, universalen Fragen der Gerechtigkeit und Gleichheit vernachlässigt werden. Dies sieht sie nicht nur als eine theoretische Fehlentwicklung, sondern auch als praktisch problematisch, da es die linke Bewegung spaltet und schwächt.

Ein Kernpunkt von Neimans Kritik ist die Idee, dass "wokeness" oft in einen neuen Stammesdenken mündet, das dem eigentlichen Geist der Aufklärung, der für Universalität und Rationalität steht, widerspricht. Sie sieht eine gefährliche Parallele zu rechten Bewegungen, die ebenfalls identitätsbasierte Politik betreiben, jedoch mit exklusiveren und ausschließenderen Zielen. Neiman warnt davor, dass diese Art von Linkssein, die sich intensiv mit Identitätsfragen beschäftigt, letztlich dazu führen könnte, dass die linke Bewegung den Kontakt zu ihren ursprünglichen, inklusiven und emanzipatorischen Zielen verliert.

Ihre philosophischen Reflexionen basieren auf einer tiefen Auseinandersetzung mit den Werken europäischer Aufklärer wie Rousseau, Kant und Diderot, die sie als Pioniere der kritischen und universalistischen Denkweise anerkennt. Neiman stellt fest, dass diese Denker, trotz ihrer zeitbedingten Einschränkungen, die ersten waren, die Eurozentrismus und Kolonialismus kritisierten und dabei die Ideale der Gleichheit und der universalen Menschenrechte formulierten.

In ihrem Buch und auf Podiumsdiskussionen betont Neiman, wie wichtig es ist, sich an den Fortschritt zu erinnern, der bereits erreicht wurde, und daraus Motivation für zukünftige Veränderungen zu schöpfen. Sie fordert die Linke auf, sich erneut auf die Kernprinzipien der Gerechtigkeit und des Universalismus zu besinnen und sich von einem reduktionistischen Fokus auf Identitätspolitik zu lösen. Durch ihre Arbeiten versucht Neiman, eine Brücke zu bauen zwischen traditionellen linken Werten und den Herausforderungen einer sich schnell verändernden, globalisierten Welt, in der die Fragen der Gerechtigkeit komplexer, aber auch dringender geworden sind.







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