Normalerweise interessiere ich mich wenig für das alljährliche Hollywood Spektakel, weil mich die glamouröse Überdosierung von Eitelkeiten schon nach kurzer Betrachtung schlagartig ermüden. Das Blitzgewitter beim Austritt aus unbezahlbar teuren Autos, der Gang über einen leuchtend roten Teppich, das perfekt einstudierte Lächeln, die Positionierung von Figur und Outfit, wecken in mir gar nichts, außer einer Verwunderung über all diese Aufregung. Doch dieses Jahr wurde in den Scheinwerfern des vorgetäuschten Glücks ein Beitrag erfolgreich, der kontrastierender dazu gar nicht erscheinen mag. Wir sprechen von der Romanverfilmung „Im Westen Nichts Neues“, der bereits 1930 und 1976 in die Kinos kam.
Der Roman von Erich Maria Remarque, der im Jahr 1929 veröffentlicht wurde, handelt von der Erfahrung des neunzehnjährigen deutschen Soldaten namens Paul Bäumer, der während des Ersten Weltkriegs an der Westfront kämpft. Die Geschichte beginnt damit, dass Paul und seinen Schulkameraden euphorisch und siegesgewiss in den Krieg ziehen, um ihr Land vor bösartigen Aggressoren zu verteidigen. Doch bald wird ihnen klar, dass der Krieg alles andere als heldenhaft ist. Sie werden mit dem Grauen des Krieges konfrontiert, einschließlich der Schrecken des Grabenkriegs, des Todes ihrer Freunde und des bestialischen Mordens auf beiden Seiten durch Massenvernichtungswaffen. Die sinnlose Grausamkeit und das Unverständnis der Alten während des Fronturlaubs, führten schließlich zur Entfremdung mit der Heimat.
Remarque selber diente an der Westfront und wurde schwer verletzt, wovon er schrieb, das hat er auch selbst erlebt. Man könnte den Schluss ziehen, dass sein Buch die logische Ableitung des Geschehenen realistisch abbildet und Deutsche damit der Bedeutung bewusst sein sollten. Nein, nicht in den deutschen Führeretagen. In den Redaktionen der einflussreichsten Gazetten wird ein anderer Zeitgenosse im Herzen getragen: Ernst Jünger. Jünger war ein stolzer Nationalist und überzeugter Militarist, der den Krieg als eine Art ritterliches Abenteuer betrachtete. In seinen frühen Werken, wie beispielsweise „In Stahlgewittern“, beschrieb er den Krieg als eine heroische Herausforderung, die den Kampfgeist und die Tugenden des deutschen Soldaten hervorbringt. Auch später in seinem Leben setzte er sich für eine militarisierte Gesellschaft ein und befürwortete die Wiederaufrüstung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.
Dass Remarques Romanverfilmung just im gleichen Augenblick wie der Ukraine Krieg erschien, ist überraschend. Man könnte fast meinen, dass der Geist des Pazifismus seine eigenen Wege findet. Ich war jedenfalls sehr erstaunt, als ich in den Netflix Rankings vieler Länder diesen Film über viele Wochen in den Top 10 vorfand. Und doch wurde der Film von unzähligen deutschen Kritikern als stilisierter Negativfilm zerrissen. Er sei eine peinliche Inszenierung, unzeitgemäß, unpassend, klischeebeladen und nicht authentisch. Die Flut an Abschätzigkeit erinnerte mich an die Diffamierungen wie sie Rainer Werner Fassbinder in den siebziger Jahren in Deutschland regelmäßig widerfuhren. Und ja, es gab überwiegend Beifall, doch dabei wurde tunlichst darauf geachtet, dass Parallelen zur Aktualität vermieden wurden. Stattdessen fluteten die Meinungsmacher für einen halben Tag ihr Publikum mit belangloser Prosa und eigenschaftsloser Würdigung, damit man ihnen nicht nachsage, man habe den historischen Oscar Regen böswillig und in voller Absicht ignoriert. Das Fehlen der Begeisterung war klirrend spürbar. Hätte ein deutscher Fußballverein die Champions League gewonnen, hätte man drei Tage lang die erste Seite mit dem Thema befüllt und ebenso sticht es ins Auge, dass nie von einem Antikriegsfilm gesprochen wird. Die Redakteure sagen lieber: Deutscher Beitrag, Kriegsfilm, Kriegsepos, Romanverfilmung oder schlicht Film. Und deswegen ist die Ableitung erlaubt, dass diese historische Ehrung den deutschen Meinungsführern peinlich ist.
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